Artikel in AIS-Studien Jahrgang 1, Heft-Nr. 2 (2008)

Die Interessenpolitik des „nutzbringenden Individuums“. Interessenhandeln und Interessenvertretung in individualisierter Leistungspolitik

Wolfgang Menz, Sarah Nies, Nick Kratzer

Zusammenfassung

Die gegenwärtigen Entwicklungen in der Leistungspolitik sind nicht nur durch eine zunehmende Markt- und Ergebnisorientierung, sondern auch durch eine wachsende Partizipationsorientierung geprägt. Mit der Abkehr vom tayloristischen Expertenmodell der Leistungspolitik werden die Beschäftigten von bloßen Adressaten leistungs-politischer Ansprüche zu reflektierenden und aktiv handelnden Akteuren rekonzeptualisiert. In aktuellen Leistungsbeurteilungsverfahren und Zielvereinbarungen werden die Selbstreflexion über das eigene Leistungshandeln und die partizipative Definition der Zielgrößen dieses Handelns zu integrativen Bestandteilen einer dezentralisierten Leistungspolitik. Diese Entwicklungstendenzen lassen die klassischen Instrumente der institutionalisierten Interessenvertretung im Betrieb mehr und mehr ins Leere laufen. Die Partizipationsorientierung kann aber auch neue Chancen individueller Interessendurchsetzung der Beschäftigten beinhalten: Sie werden nicht nur zu neuen Akteuren der Leistungspolitik aufgewertet, sie könnten auch neue Akteure der Interessenpolitik werden. Der Beitrag setzt sich anhand empirischer Ergebnisse zur Praxis von Leistungs-beurteilungen mit den Fragen auseinander, welche Möglichkeiten sich der institutionalisierten Interessenvertretung angesichts der Tendenzen zur Partizipationsorientierung und Dezentralisierung von Leistungspolitik bietet und welche Chancen und Gefährdungen die partizipative Leistungspolitik für das interessenpolitische Handeln der individualisierten Akteure beinhaltet. Hierbei werden sowohl die Aushandlungssituationen auf dezentraler Ebene als auch (nachträgliche) interessenpolitische Kontroll-prozesse in Form von Reklamationsverfahren in den Blick genommen. Trotz ambiva-lenter Bilanz der gegenwärtigen Entwicklungen der Leistungspolitik hinsichtlich ihrer interessenpolitischen Konsequenzen sind dennoch Chancen zu erkennen, dass sich Selbst- und Stellvertretung miteinander verschränken und zu neuen Formen erfolg-reicher Interessenpolitik führen könnten, in denen individuelles Interessenhandeln und institutionalisierte Gegenkontrolle einander in produktiver Weise wechselseitig verstärken.

Title (english)

Abstract (english)

Current developments in work performance policies are not only characterised by an increasing market- and result-orientation but also by a rising weight of participatory principals. The renunciation of the tayloristic model leads to a situation where employees are conceived as actively involved subjects instead of being passive recipients of demands on their work performance. Self-reflection about one’s own perform-ance and the participatory definition of objectives are integrativeconstituents of per-formance appraisals and agreement on objectives. Because of these tendencies of development the classical instruments of the institutionalised employee representa-tion do not come across anymore. The weight of participatory principals in current performance policies contains new chances for an individual assertion of interests though: Not only are employees revaluated as new individual protagonists of performance policies but also they might become new protagonists in the disputes of interests. Based on empirical results about performance appraisals in practice this article revolves around two problems: The changing conditions for institutionalised employee representation given the tendencies of participation and decentralisation in performance policies and the chances and endangering the participatory tendencies imply for individual employees to assert their interests. Therefore we examine the decentralised negotiation process as well as the (retroactive) controlling process through institutionalised proceeding of complaints. Despite an ambivalent conclusion concerning employee representation under the conditions of current developments of performance policies we state new opportunities for successful disputes of interests by interlocking of institutionalised employee representation and individual self-representation. This way the individual assertion of interest and institutionalised control process could reciprocally strengthen each other in a productive way.

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