Artikel in AIS-Studien Jahrgang 3, Heft-Nr. 1 (2010)

Ethnografien der Nähe – Anmerkungen zum methodologischen Potenzial neuerer arbeitsethnografischer Forschungen der Europäischen Ethnologie

Irene Götz

Zusammenfassung

Arbeitsethnografische Forschungen der Europäischen Ethnologie, die in den letzten 15 Jahren über Phänomene des Arbeitens und Lebens unter postfordistischen Bedingungen entstanden sind, basieren unter anderem auf einem interdisziplinären Austausch mit der Arbeits- und Industriesoziologie, an deren Konzepten „Subjektivierung“ und „Entgrenzung“ sich die Europäische Ethnologie teilweise orientiert. Trotz vieler Gemeinsamkeiten beider Disziplinen unterscheiden sie sich auch in ihren Arbeitsweisen. Anhand vier empirischer Fallbeschreibungen werden die Spezifika und Potenziale ethnografischen Arbeitens aufgezeigt. So können mit Hilfe der Methoden- und Quellentriangulation kulturelle Formen und symbolische Praktiken von Softwareentwicklern bzw. unabhängigen Finanzberatern im Sinne von Clifford Geertz „dicht beschrieben“ werden. Eine induktive, partizipative Vorgehensweise und ein kontextorientierte Deutung der Erzählungen von Arbeitern einer kleinen Bilderrahmen-Fabrik lassen symbolisch belegte Objekte und Arbeitspraktiken erkennen und eröffnen Schlüsselmotive des Verstehens von Innensichten. Anhand der Milieustudie eines Friseursalons wird Einblick in Praktiken der „Emotionsarbeit“ gegeben und ein ethnografischer Schreibstil aufgezeigt, der auch auf die Diskussion über die spätmoderne „Krise der Repräsentation“ reagiert.

Title (english)

Abstract (english)

Ethnographic research projects in European Ethnology/ Cultural Anthropology dealing with phenomenons of work and life under postfordistic conditions in the last 15 years are based on an interdisciplinary approach, which has adapted some concepts and tools of Sociology of Work and Industry, especially questions of “subjectivation”(Subjektivierung”) and “delimitation” (“Entgrenzung”). This paper points out some of the heuristic questions which these neighbouring disciplines have in common and then stresses some of the specific characteristics and potentials of the ethnographic approach in this research field by presenting four empirical case studies. They demonstrate how a “triangulation” of methods and sources can help reconstructing cultural patterns and symbolic practices in the work of software engineers and self-employed financial consultants. A participant observation and an inductive context-orientated analysis of the narratives of migrant workers in a small-sized handicraft- enterprise show symbolic working practices and shed light on informal hierarchies from an insiders’ point of view. The last case study about the special “atmosphere” of a hairdresser’s shop as a result of various ongoing acts of the employees’ emotional work illustrates a special genre and style of ethnographic writing. “Thick Descriptions” (Clifford Geertz) are suggested to be an adequate answer on the postmodern problem of representation.

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